Ein genauer Blick auf den Stammbaum deiner Familie sollte helfen denn Hämophilie ist eine Erbkrankheit. Das bedeutet in den allermeisten Fällen wird sie von einem Elternteil an das Kind vererbt. Es ist jeweils ein bestimmtes Gen für die Herstellung einzelner Gerinnungsfaktoren zuständig. Ist z.B. das Faktor VIII-Gen mutiert, kann der Körper den Faktor VIII nicht in ausreichender Menge herstellen – es liegt dann eine Hämophilie A vor.

Hämophilie – Männersache

Jeder Mensch trägt in jeder seiner Zellen 46 Chromosomen. Sie sind der Träger der Erbinformationen. Die Hälfte der Chromosomen wird mütterlicherseits, die andere Hälfte väterlicherseits an den Nachwuchs weitergegeben. 44 dieser Chromosomen liegen gepaart vor. Die Erbanlage ist also jeweils doppelt vorhanden. Die letzten beiden Chromosomen sind Geschlechtschromosomen. Sie entscheiden darüber in deine Tochter (XX) oder ein Sohn (XY) geboren wird.

Das Erbgut für die Herstellung von Faktor VIII liegt auf den X-Chromosomen. Man bezeichnet es deshalb als geschlechtsgebundenes erbliches Merkmal. Es sind fast ausschließlich Männer von Hämophilie A betroffen. Frauen können Hämophilie A zwar an ihre Kinder weitergeben, aber sie erkranken in der Regel nicht selbst. Das liegt daran, dass Frauen zwei X-Chromosomen und damit zwei Gene für Faktor VIII haben. Wenn eines davon defekt ist entsteht trotzdem keine schwere Hämophilie A, denn das gesunde Gen auf dem zweiten X-Chromosom gleicht den Defekt meist aus. Männer hingegen haben ein X- und ein Y-Chromosom. Sie haben also nur ein Gen für Faktor VIII. Wenn dieses fehlerhaft ist, wird der Träger an Hämophilie A leiden.

Männer vererben an Töchter, Frauen an Söhne und Töchter

Eine Frau, die ein defektes Gen für Faktor VIII auf einem ihrer X-Chromosmen trägt, wird als Koduktorin oder auch Trägerin bezeichnet. Sie wird das defekte Gen an ihren Sohn (bzw. Tochter) mit einer fünfzigprozentigen Wahrscheinlichkeit weitergeben. Jungen vererben von ihrem Vater das Y-Chromosom wodurch sie die Hämophilie nicht an ihre Söhne weitervererben können. Töchter von Vätern mit der Bluterkrankheit sind immer Überträgerinnen, weil das X-Chromosom, welches sie von ihrem Vater erben, das defekte Gen aufweist.

Frauen und Hämophilie A

In der Regel erkranken Frauen nicht selbst an Hämophilie A. Sie können jedoch Träger des defekten Faktor VIII Gens sein. Konduktorinnen weisen mitunter normale Faktor VIII-Konzentrationen auf. In so einem Fall zeigen die Trägerinnen keine Blutungssymptome. Bei Verletzungen oder Chirurgischen Eingriffen sind sie nicht blutungsgefährdet. Wenn die Faktor VIII-Konzentration jedoch vermindert ist, können auch bei Konduktorinnen Blutungen auftreten. Bei Operationen wäre dann auch eine vorsorgliche Behandlung notwendig, um Blutungen zu verhindern. Koduktorinnen können abgesehen davon unter starken Menstruationsblutungen oder übermäßigen Blutungen bei Geburten leiden.

Allerdings reicht es nicht allein aus die Faktor VIII Konzentration im Blut zu ermitteln, um zu bestimmen, ob eine Frau Trägerin des defekten Gens ist. Die Bestimmung des Trägerstatus gelingt am sichersten durch den genetischen Nachweis der Mutation, die in der jeweiligen Familie bereits bekannt ist. Besonders wichtig wird dieser Nachweis im Zusammenhang mit Schwangerschaften – aufgrund des Blutungsrisikos bei der Entbindung sowie des Blutungsrisikos des neugeborenen Kindes.

Halten sie sich stets vor Augen, dass Hämophilie dank des medizinischen Fortschritts heute gut behandelbar ist und betroffene Kinder eine nahezu „normale“ Lebensqualität haben. Ihr Hämophilie-Zentrum steht ihnen beratend und helfend zur Seite und sollte stets ihre erste Anlaufstelle sein.

Hämophilie durch Spontanmutation

Neben der erblich bedingten Hämophilie tritt bei ca. einem Drittel der Betroffenen die Erkrankung ohne familiäre Vorgeschichte auf. Diese plötzlich auftretende Variante wird „spontan“ genannt. Ursache hierfür ist wahrscheinlich eine unvermittelte Mutation im Erbgut. Es kann also durchaus passieren das bei Betroffenen eine Hämophilie festgestellt wird, obwohl bis dahin kein Familienmitglied Hämophilie hatte.

„Krankheit der Könige“

Die Hämophile wurde früher auch als „königliche Krankheit“ bezeichnet.  Von Königin Victoria wurde die Krankheit an Mitglieder des englischen Königshauses vererbt und wurde von dort in das preußische Königshaus sowie in die russische Zarenfamilie vererbt. Im europäischen Hochadel war die Krankheit daher schon früh gefürchtet.

Für Betroffene bedeutete die Krankheit bis weit in das 20. Jahrhundert eine deutlich verkürzte Lebenserwartung. Die Krankheit ist bis heute nicht heilbar. Doch durch moderne Diagnose und Therapieverfahren ist die Lebenserwartung von Betroffenen inzwischen aber mit der von Gesunden vergleichbar.